Was tun, wenn man in Pandemiezeiten Interviewgäste kaum noch persönlich treffen kann? Für Podcastschaffende gibt es gute Möglichkeiten - und einige Stolpersteine.
Der Podcast als solcher ist coronaresistent. In Zeiten der Pandemie kann er sogar zusätzliche Funktionen übernehmen und in Bereichen einspringen, die wegen des Virus sonst brachliegen. Bei der Herstellung allerdings ist die Hürde des social distancing nicht zu unterschätzen. Während für kurze Schnipsel die gängigen Mittel der Telekommunikation ausreichen mögen, ergibt sich gerade bei längeren Formaten ein Problem: Wer möchte schon in einem Gesprächspodcast den Gast eine halbe Stunde lang durchs Telefon scherbeln hören, oder konstant daran erinnert werden, dass eine Expertin per Sykpe zugeschaltet ist, weil das mittelmässige Headset und die ständigen Aussetzer in der Übertragung einfach nicht zu ignorieren sind?
Richtig: Niemand.
Die gute Qualität einer Gesprächsaufnahme im Studio beruht im Wesentlichen auf drei Elementen, nämlich A) dem Mikrofon, B) der lokalen Datenspeicherung und C) der schalldämpfenden Studioumgebung. Und die gute Nachricht lautet: Genau diese Elemente lassen sich mit etwas Aufwand und den richtigen Tools im trauten Heim des oder der Interviewten weitgehend nachbilden.
Auch wenn Ihnen viele Gesprächspartner bei der Planung versichern werden, dass sie z.B. bereits ein Headset mit Mikrofon zuhause am Computer haben, hat es sich für uns bei der Podcastschmiede bewährt, unseren Gästen ein Mikrofon per Post zu schicken. Das mag nach unverhältnismässigem Aufwand klingen, ist die Sache aber absolut wert.
Als erstes stellt sich hierbei die Frage nach dem Modell. Natürlich kann man einem Laien kein XLR-Mikrofon mitsamt Midi-Interface ins Haus schicken. Stattdessen sind USB-Mikrofone eine valable Option, denn sie sind gerade für Sprachaufnahmen heute deutlich besser als ihr Ruf.
Aufgrund der einfachen Handhabung, der geringen Grösse und des gelungenen Designs haben wir uns für das Samson Meteor entschieden. Mit einem Preis von deutlich unter 100 Franken/Euro kann hier auch gleich ein kleiner Stock angeschafft werden, was im konkreten Alltag unverzichtbar ist - dazu ganz am Ende noch mehr.
Das Mikrofon ist narrensicher im Handling und wie sich herausgestellt, haben viele Interviewpartner ihre helle Freude an dem kleinen, schmucken Gerät, was ihre Motivation und Vorfreude auf das Interview sogar noch erhöht.
Das beste Mikrofon ist nutzlos, wenn das Signal anschliessend stark heruntergerechnet wird, um es in Echtzeit via Internet zum Gesprächspartner zu übertragen. Genau das passiert aber bei Diensten wie Skype oder auch den ganzen Konferenzsoftwares, die in der Coronazeit boomen.
Findige Programmierer und Podcaster haben deshalb Lösungen geschaffen, bei welchen man sich zwar sieht und hört wie bei Skype oder Zoom, wo aber zusätzlich die Aufnahme jedes Gesprächsteilnehmers lokal auf dessen Computer gespeichert und von da auf die entsprechende Plattform hochgeladen wird – und zwar in voller Qualität. Diese Files kann man anschliessend downloaden und hat alle Gesprächsspuren in voller Auflösung zur Verfügung.
Wir bei der Podcastschmiede führen derzeit viele solche Interviews mit dem Dienst Squadcast: Hier sind bis zu vier Teilnehmer möglich, und für 200 USD im Jahr hat man fünf Aufnahmestunden pro Monat zugut. Bei Bedarf gibt’s natürlich auch grössere Abos.
Unverzichtbar ist, den Gästen das Tool vorher zu erklären. Wir tun dies mit einer kurzen Anleitung, die wir als Faltblatt dem Mikrofon beilegen. Die beiden wichtigsten Punkte dabei sind, dass im Squadcast-Startbildschirm das externe Mikrofon ausgewählt wird, sowie dass der Gast zwingend Kopfhörer verwendet. Bei vielen klappt das alles auf Anhieb, den anderen erklärt man es kurz – zur Not am Telefon – und die Sache läuft.
Wegen kleinerer Bugs und Unfälle haben wir inzwischen auch den Konkurrenzdienst Welder ausprobiert: Die grundlegende Funktionsweise ist dieselbe, das Interface für den Gast ist noch ein wenig aufgeräumter und dadurch vielleicht weniger störungsanfällig. Letztlich sollten Podcaster aber wohl einfach beide (oder noch mehr) Dienste ausprobieren, und dann ihren Bauch entscheiden lassen.
Unter uns gesagt: Wenn Mikrofon und Datenqualität so stimmen wie oben beschrieben, dann ist die Aufnahme ohnehin schon gut. Dennoch kann man einen Gast natürlich auch noch beraten bezüglich des Raumes, wo er oder sie z.B. den Laptop für die Aufnahme positioniert: Hier lässt sich meist ein guter Ort oder ein Setup finden, das nicht wie im Marmorpalast klingt.
Und à propos Setup, hier der wichtigste Punkt: Das kleine Meteor-Mik soll nahe beim Mund sein. Deshalb empfehlen wir unseren Interviewpartnern auch bereits im oben erwähnten Faltblatt, sie sollen sich z.B. einen kleinen Turm aus einigen Büchern bauen, damit das Mikrofon auf Sprechhöhe ist.
Dürfen wir ehrlich mit Ihnen sein? Zu Beginn haben wir diese Online-Aufnahmetools immer wieder mal herzhaft verflucht. Dann nämlich, wenn Schwierigkeiten auftraten, oder eine Remote-Aufnahme im ersten Anlauf doch nicht so toll klang, wie wir uns das zuvor erhofft hatten. Allerdings bewahrheitete sich in allen Fällen am Ende der Grundsatz, wobei die Ursache von IT-Problemen in aller Regel zwischen dem Stuhl und der Tastatur zu finden ist. Hier ein kleines «Worst of» unserer Fehler, damit Sie sie nach Möglichkeit bereits zu Beginn auslassen können:
* Echo-Cancellation: OFF!
Dass allfällige Echos von mir, die über die Gäste zurückkommen, automatisch herausgerechnet werden, klingt zwar verlockend, allerdings nimmt man dafür Duckings in Kauf, also automatische Absenkungen im eigenen Aufnahmesignal. Gerade wenn mehrere Gesprächspartner zugeschaltet sind, ist das der sichere Qualitätskiller für die Aufnahme im Studio. Am Ende wundert man sich dann, warum die Gäste mit ihren Mini-Miks eigentlich besser klingen als der Interviewer selbst. Die Lösung sind gut eingestellte Kopfhörer bei allen Gästen, dann braucht es keine Echo-Cancellation.
* Schrecksekunden wegen falschen Handlings
Je nach Aufnahmeplattform kann es passieren, dass Aufnahmen zunächst für eine Weile verschollen bleiben. Konkret ist dies z.B. in Squadcast der Fall, wenn man die gesamte Session beendet, bevor man bei der laufenden Aufnahme auf Stop gedrückt hat.
Ja, wir versanken vor Scham fast im Boden, als wir einen Gast anrufen und ihm beichten mussten, die 40-minütige Aufnahme sei nicht gespeichert und wir müssten das Interview am nächsten Tag wiederholen. Und JA, uns fielen mindestens zwei oder drei Steine vom Herzen, als die Aufnahmen einige Stunden später doch noch im Onlinetool auftauchten – dieses musste offenbar noch kurz «zu Ende denken». Dieser Schreckmoment führte allerdings dazu, dass wir seither immer selbst noch eine Backup-Aufnahme über das Studiomischpult laufen lassen.
* Und last but not least: Herausforderung Logistik
Je nach Grösse des Teams und Anzahl aller geplanten Remote-Interviews ist die Koordination von Mikrofonbelegung und Versand nicht ohne! Selbstredend handelt es sich hier aber um ein lösbares Problem – und in unserem Fall bereitet uns ein organisatorischer Kunstgriff sogar besondere Freude. Seit wir uns nämlich entschieden haben, jedes unserer Versandmikrofone auf den Vornamen einer unserer Podcast-Helden oder -Heldinnen zu taufen, fallen bei uns Sätze wie: «Hast du gesehen, Ira ist gestern mit der Post zurückgekommen» oder «Palina ist da, die kannst du verschicken».